Aller Anfang ist leicht

Das Tanzgut hat jetzt eine eigene Seite. Für alle die gern mehr lesen wollen über tänzerisch leben und das Tanzgut schreibe ich diesen Blog. Als Auftakt und für einen Überblick möchte ich die Geschichte erzählen, wie es zum Mitmachhaus, zum Tanzgut und zu tänzerisch leben kam.

 

 

Zum Ende meiner Schulzeit verspürte ich ein Unbehagen, was meine Zukunft anging. Ich wollte mich nicht festlegen, wo ich doch viele Interessen hatte. Auf einer längeren Radtour fand ich eine Lösung: Mich nicht auf mein  Studium begrenzen sondern vor allem das Leben studieren. Was mich im Studium (Wirtschafts- und Sozialwissenschaften) besonders interessierte, verfolgte ich intensiver, alles andere versuchte ich mit wenig Aufwand solide zu absolvieren. Ich war viel draußen am wandern, Bäume klettern, balancieren. Probierte mich im Kochen und Backen. Pflegte Beziehungen, besuchte Veranstaltungen, organisierte selbst welche, war in einer Gemeinschaftsgruppe, die vom Landkommune-Leben träumte und schrieb eigene Texte: Wie will ich leben? Wie wir als Gesellschaft insgesamt?

 

 

 

In Soziologie lernte ich, dass ich in einer Arbeitsgesellschaft aufgewachsen war und lebte. Eine Gesellschaft, die Menschen danach einteilt, in welchem Verhältnis sie zur Erwerbsarbeit stehen. Ob sie in der Vorbereitung dafür sind (Schule, Ausbildung, Studium), bei der Ausübung derselben in Voll- oder Teilzeit, keine haben (Arbeitslosigkeit) ob sie Pause machen (Elternzeit) oder befinden sie sich im Ruhestand als Belohnung für viele Jahre Erwerbsarbeit. Seit meiner Jugend wollte ich Manager bei einem Ökounternehmen werden. Ich machte ein Praktikum bei einer sozial-ökologischen Bank. Mit doppeltem Fokus: Prüfen ob die Arbeit, was für mich wäre und mit einem soziologischen Blick die Erwerbsarbeit praktisch untersuchen.

 

 

 

Vier Monate und 39 Wochenstunden. Mir fiel auf, dass das Leben eines Büroangestellten recht ähnlich ist - egal ob das Unternehmen nun ökologisch ausgerichtet ist oder nicht. Urlaub in Korsika, Auto, Smartphone und Kleidung kaufen. Einmal pro Woche Sport oder zum Chor. Zeit mit Haushalt und Familie verbringen. Mit dem größten Zeitumfang für Erwerbsarbeit. Draußen leuchtete der goldene Oktober. Es war warm doch ich musste die Heizung aufdrehen, weil mir vom langen Sitzen vor dem Rechner kalt geworden war. Ich fühlte mich nicht mehr so lebendig wie in den Wochen zuvor. Ich bekam Zweifel, was meine Zukunft als Ökomanager anging, lehnte eine Verlängerung ab. Nun wollte ich selbst eine Alternative zu einem erwerbsarbeitszentrierten Lebensmodell entwickeln und ausprobieren.

 

 

 

FUJ, ein freiwillig utopisches Jahr, überlegte ich mir, um meine Vorstellung vom guten Leben in der Realität zu testen. Das würde nicht gut von meiner WG aus funktionieren, ich brauchte einen Ort, einen Schutzraum für dieses Experiment. Wenn die Zeit reif ist, wird etwas plötzlich leicht möglich: Ich entdeckte einen Ort in der Sächsischen Schweiz. Das Mitmachhaus entstand.

(Über das FUJ und die ersten Mitmachhausjahre schreibe ich noch einen Extra-Artikel, da das sonst den Rahmen hier sprengen würde.)

 

 

Die Utopie die ich testen wollte hatte fünf Worte. Gemeinsam tanzen, schenken, wandern & gärtnern. Mich nicht allein aufs Land zurückziehen, gemeinschaftlich leben. Tatsächliches Tanzen aber auch die Haltung mit der ich die Dinge angehen wollte. Schenken als mein Beitrag für eine schönere Welt und als die bevorzugte Logik gegenüber dem Tauschen. Wandern & Gärtnern um das ganz praktisch zu tun und als Metapher: draußen und im Leben unterwegs sein und lernen sowie sich um einen konkreten Ort wie das Mitmachhaus kümmern.

 

 

 

Das Mitmachhaus hatte Saison von April bis Oktober. In der kalten Jahreshälfte hielt der Ort Winterruhe und wir Haushüter überwinterten in unseren Winterquartieren. Im ersten Jahr war nur ich Haushüter bis 2014 Mirko über zwei Ecken dazu kam und wir für mehrere Jahre das Projekt vorantrieben und weiterentwickelten. Dabei bemerkten wir, dass es im Kern um eine tänzerische Haltung ging, um einen tänzerischen Lebensstil. Kurz tänzerisch leben. Wir verstanden uns als tänzerisch Lebende, nannten unsere Rundmail und die Projektseite so. Aus dem Mitmachhaus wurde das Tanzgut. Während es in den ersten Jahren ein offenes, gastfreundliches WG-Konzept gab: Wir Haushütenden hatten viel Besuch von Freundinnen und Freunden, sodass sich immer wieder neue Gemeinschaftskonstellationen ergaben. Wandelte sich der Ort mit dem Ende der Junggesellenzeit und dem Beginn der Familienphase hin zu einer neuen Form ohne feste Bewohner:innen.

 

 

 

Das Tanzgut ist immer noch ein Zuhause für die Utopie vom tänzerischen Leben. Ein Herzensprojekt von mir, Philipp, mehr und mehr mitgestaltet von meiner Gefährtin Anne, die ich hier kennengelernt habe. Unterstützt von unserem Freundeskreis und einem Gewebe von Menschen, die sich dem Tanzgut verbunden fühlen. Ein Ort für Menschen, die für einige Tage mit ihrem Freundeskreis kommen wollen zum innehalten, zum wandern, meditieren oder tanzen. Die Saison gerahmt von einem Frühjahrsputz als Auftakt im April und einem Saisonabschied im Herbst, wenn es kalt wird. In der Mitte das Sommerfestival als inhaltlicher Höhepunkt und durchzogen von einem Spirit:

 

tänzerisch leben.


Kommentare: 1
  • #1

    Sabine (Freitag, 01 April 2022 14:48)

    Philipp, Danke für diesen Einstieg in den Blog, ich freue mich auf alles weitere