Die Kunst des Lassens

Im letzten Jahr habe ich mehrfach Gäste gebeten, keine Bilder vom Ort in ihren Einladungen zu verwenden. Dadurch habe ich gemerkt, dass unser Umgang erklärungsbedürftig ist. Unsere Webseite zeigt bewusst keine expliziten Fotos vom Ort. Dieser Beitrag ist daher eine Mischung, es geht um Bilder, unsere Außenkommunikation doch auch um die Kunst des Lassens und die Art wie wir das Tanzgut gestalten oder eben auch nicht-gestalten.

 

Frage nicht nur was du tun sondern vor allem was du unterlassen kannst.

Eigene Abwandlung eines Zitats von Masanobu Fukuoka

 

Das Wu Wei Prinzip aus dem Taoismus ist in den letzten Jahren auch im Westen etwas bekannter geworden. In der östlichen Philosophie hat dieses aktive Unterlassen, Handeln durch Nichthandeln eine lange Tradition. In den ersten Jahren habe ich vieles intuitiv gemacht und erst mit den Jahren sind die Begriffe gekommen, das Selbstverständliche noch besser zu erklären. Es ist ein hohes Ziel, die Welt so wahrzunehmen wie sie ist. Das Tanzgut soll es erleichtern einem Felsen, einem Haus, einem Baum oder einem Menschen zu begegnen. Eigentlich staunend wie ein Kind, die Welt zu betrachten.

 

Es beginnt damit, dass Menschen ohne feste Bilder ins Tanzgut kommen sollen. Auf der Webseite haben wir kein Video, keinen 360 Grad Rundgang, keine Bilder, die den Ort zeigen. Wir unterlassen meist auch Führungen für Erstgäste und bitten Gäste der Versuchung zu widerstehen, den später Anreisenden gleich alles zeigen zu wollen. Wir wollen das Entdecken ermöglichen. Es macht einen Unterschied, ob du allein erkundest und in jedes Zimmer blickst oder dich jemand führt, dir etwas zeigt und dich begleitet.

 

Wie erfahren Menschen vom Tanzgut? Das Tanzgut ist nicht auf Plattformen. Wir wollen nicht, dass Menschen kommen, weil die Unterkunft die günstigste, die letzte verfügbare oder die mit der besten Bewertung war. Im Idealfall erzählt jemand davon und Menschen verspüren daraufhin einen Ruf zu kommen. Oder sie entdecken unsere dezente Webseite und die wenigen Bilder und Worte laden sie ein. Wir wollen gerne Menschen erreichen für die wir und das Tanzgut etwas bedeuten. Die eine Resonanz verspüren, die Lust haben sich mit uns und dem Ort zu verbinden. Dadurch ist hier aus unserer Erfahrung weniger mehr. Uns geht es nicht um besonders große Reichweite. Wir wollen nicht etwas größer und schöner machen als es ist. Wir wollen kein „Image“ kreieren und das vermarkten sondern das beschreiben was es hier gibt, was hier möglich ist und wofür wir stehen. Unser Anliegen ist es durchaus nach Außen zu wirken und Menschen zu erreichen doch nicht möglichst schnell und mit möglichst großer Reichweite sondern eher langsam und leise. Organisch, damit alle für die wir und das Tanzgut etwas bedeuten auch mit der Zeit zu uns finden. Wir wollen beitragen zu einer Stille, die es ermöglicht den Ruf der Seele zu hören. Das Internet wird schnell zu einem Ort des Lärms, in dem Bilder, Videos, Audios auf die Menschen einströmen und leicht zu Zerstreuung und oberflächlicher Unterhaltung führen. Das Internet bietet natürlich auch die Chance, sich zu finden und gefunden zu werden, daher lehnen wir es auch nicht komplett ab sondern üben uns in einem Minimalismus, zu prüfen, was es braucht, um unseren Beitrag zu leisten.

 

Das Tanzgut Anliegen ist sehr schlicht: Ein Zuhause für ein tänzerisches Leben zu ermöglichen, einen Ort für das Erleben von Gemeinschaft, dem Wahrnehmen und Begegnen von Menschen, Tieren und Pflanzen. Wir machen keine klassische Werbung, keine Angebote mit Frühbucher-Rabatten, keine Versprechungen, was hier alles Tolles passiert. Und das wünschen wir uns auch von allen Gästen, die mit Gruppenaktionen hierher kommen. Wir versuchen eine bestimmte werbliche Sprache zu unterlassen. „Jetzt wieder ein Angebot“ und „Nutze die Chance“. Unsere Kommunikation in einem Turnus, der an dem Jahresrad angelehnt ist zu versenden: Frühling-, Sommer-, Herbst- und Winter-Post. Wen es interessiert, dem erzählen wir gern aus unserer Welt und freuen uns über Resonanz, über Besuch, über Menschen, die das Tanzgut beleben, wenn sie hier tanzen, musizieren, am Feuer schweigen und den Ort mit ihren Erlebnissen füllen.

 

Bilder im Internet sind in der Regel nicht ganz repräsentativ. Auch bei uns nicht. Manche Gäste haben sich gewundert, dass es auch bei uns regnet, weil in ihrer Fantasie im Tanzgut immer die Sonne scheint. Das liegt irgendwie in der Natur der Sache. Bei gutem Licht entstehen die schöneren Fotos. Doch dadurch gibt es diese Verzerrung: Menschen sehen glücklicher aus und Orte malerischer. Vor Jahren habe ich das bei Veranstaltungen gesehen, die ich besucht habe. In der Dokumentation habe ich sie nicht wiedererkannt: Nur schöne Menschen, die tanzen, lachen und glücklich sind. Keine Szenen von langweilenden Vorträgen, durchschnittlichen Besuchern, unzufriedenen Gästen. Für mich entstehen so Illusionen. Manchmal bleiben die Videos und Fotos besser in Erinnerung als die tatsächlich erlebten Momente. Es entsteht eine Art Unwahrheit, wir belügen uns selbst. Ich habe immer versucht authentisch zu fotografieren also so wie etwas wirklich aussieht ohne Spezialeffekte. Und vor allem im Einsatz genügsam zu bleiben. Wenige schöne Natur Bilder, die Einladen raus zu gehen und die Schönheit eines blühenden Quittenbusches staunend zu bewundern.

 

Es mag klein und nebensächlich erscheinen doch für mich geht es dabei ums Ganze. Natürlich ist unser Tanzgut Radius klein, wir wollen einen kleinen Mosaikstein gestalten in einem großen Bild. Unseren Beitrag für Liebe, Frieden und Heilung in der Welt. Das hat für uns viel mit Ehrlichkeit zu tun, mit Authentizität und mit Verbindung. Viele Menschen laufen telefonierend mit Kopfhörern durch den Wald. Das Telefonieren verbindet uns mit einem anderen Menschen, einem anderen Ort doch dadurch sind wir eben nicht ganz hier. Wir trennen und entfernen uns von dem Ort, der uns umgibt. Landschaften werden zur Kulisse, doch es findet keine Begegnung statt mit den Erlen am Wegesrand. Daher wünschen wir uns, dass Menschen im Tanzgut ihr Handy so wenig wie möglich nutzen. Nicht um sie zu einzuschränken sondern um sie zu unterstützen mit dem Ort und den Menschen, die mit ihnen hier sind, in Kontakt zu sein, sich wirklich zu begegnen in einer Tiefe, die im Alltag nicht immer möglich ist.

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Kommentare: 1
  • #1

    Benjamin (Samstag, 20 Januar 2024 11:15)

    Was ein herrliches Wort! Ich "lasse" total viel. In Bezug auf Dinge tun und Dinge erledigen hatte ich bisher ein anderes Wort dafür: Prokrastination. Für viele Sachverhalte ist "lassen" meiner Erfahrung nach ein viel passenderes Wort. Zum "lassen" gehört für mich ein weiteres Wort: Vertrauen. Vertrauen darin das alles (gut) wird. Für mich ist diese Art zu lassen eine Haltung. Ein sich hingeben. Staunen und "sehen" was (wirklich) ist. Zwei Grundlegende Erfahrungen zu dieser Haltung: !Viele Dinge erledigen sich von selbst, dabei zuschauen und fasziniert sein, hilft dabei. 2. Die Haltung ist eine gute Übung die eigene Intuition wahrzunehmen. !Intuition sagt uns, wann wir die Haltung des Lassens verlassen müssen um unseren Wünschen einen Schubs zu geben und sie zu verwirklichen.

    Habt's euch wohl.
    Friedlichst
    Benjamin